Erfahrungsbericht

EY Consulting (Audit)

Unternehmen

EY Consulting

Job-Titel

Unternehmen/ Praktikum

Standort

Stuttgart

Zeitraum

Februar - Juli 2002

Position

Praktikant:in

Bewertung von

Anonym

Gesamtbewertung

4

Kooperation untereinander

5

Karrieremöglichkeiten

4

Spaß

3

Unternehmenskultur

5

Gesamtfazit

Das Praktikum war sehr gut.

Beschreibung der Arbeit

-

Atmosphäre

Dieser Bericht soll kein Unternehmensbericht im herkömmlichen Sinne sein. Ich habe kein Praktikum bei Ernst & Young sondern bei Arthur Andersen im Bereich der Wirtschaftsprüfung absolviert. Ein Bericht über mein Praktikum wird später folgen. In diesem Bericht möchte ich auf die bevorstehende Fusion der Deutschen Landesgesellschaften von Ernst & Young und Arthur Andersen eingehen, die zukünftig gemeinsam unter dem Namen Ernst & Young am Markt auftreten werden. Dieser Bericht ist sozusagen sowohl ein Nachruf auf Arthur Andersen als auch ein erster Bericht über die neue Nummer 3 in der Wirtschaftsprüferbranche.
Die einzelnen Bewertungen unter "Deine Meinung" beziehen sich dementsprechend auf die Vorbereitungsphase des "Merger under Equals" und meine Erfahrungen und Erlebnisse im Büro von Arthur Andersen Stuttgart.
Zum besseren Verständnis der Situation habe ich hier noch einmal einen Bericht der Financial Times Deutschland und die Presse-Erklärung der beiden Unternehmen beigefügt:


Artikel aus der Financial Times vom 17.6.2002

Andersen: Ein Unternehmen wird schuldig gesprochen !
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen ist am Samstag durch ein Berufungsgericht in Houston der Behinderung der Justiz schuldig gesprochen worden. Das bedeutet praktisch die Auflösung des 89 Jahre alten Unternehmens.
Kurz nach dem Schuldspruch sagte Andersen zu, seine Prüfungstätigkeit für börsennotierte Unternehmen in den USA Ende August einzustellen. Der Schuldspruch ist ein Novum in der US-Justizgeschichte: Erstmals wurde in einem Strafverfahren ein gesamtes Unternehmen eines Verbrechens schuldig gesprochen, das gemeinhin nur Einzelpersonen verüben können. Für Andersen bedeutet die Entscheidung der Geschworenen das Ende seiner seit Januar andauernden Versuche, als kleinere, aber lebensfähige Firma aus dem Enron-Skandal hervorzugehen.
Aus für den Wirtschaftsprüfer
Mittlerweile ist Andersen ohnehin nur noch ein Schatten seiner selbst: In den USA verlor das Unternehmen bisher bereits 690 seiner 2300 Kunden, von ehemals 27.000 Angestellten sind noch 10.000 übrig. In den meisten anderen Länder schlossen sich die Andersen-Gesellschaften mit Konkurrenten zusammen.
"Der Spruch der Geschworenen wird die Bilanzprüfungstätigkeit der Firma beenden", sagte Andersen in einer Pressemitteilung. Das Unternehmen werde seinen Kunden beim Übergang zu anderen Prüfern helfen.
Die zwölf Geschworenen kamen nach zehn Tage andauernden Beratungen zu dem Schluss, dass Andersen-Rechtsanwältin Nancy Temple die Zerstörung von Beweisen anordnete, als sie dem Leiter des Houstoner Andersen-Büros David Duncan Mitte Oktober 2001 empfahl, einen Absatz aus einem Memorandum über Gespräche mit seinem Kunden Enron zu streichen.

Wenige Tage später leitete die US-Börsenaufsicht SEC eine formelle Untersuchung von Enrons Bilanzierungsmethoden ein, die schließlich zum Konkurs des Energiehändlers führte.
Die Geschworenen kamen somit zwar zum gleichen Schluss wie die Staatsanwaltschaft, jedoch auf Grund einer völlig anderen Theorie. Die Anklage hatte argumentiert, dass eine E-Mail Temples an das Houstoner Büro, die Aktenaufbewahrungsregeln zu beachten, eine versteckte Aufforderung zum Schreddern gewesen sei. Nach dem Versand der E-Mail vernichteten Angestellte in Houston Tausende von Akten.



Pressemitteilung der beiden Unternehmen vom Montag, den 29. April 2002

„Ernst & Young Deutschland und Andersen Deutschland schließen sich zusammen“

Ernst & Young Deutschland und Andersen Deutschland wollen sich zusammenschließen. Das neue Unternehmen wird in Deutschland zu den beiden führenden Prüfungs- und Beratungsgesellschaften aufschließen und unter dem Namen Ernst & Young auftreten. Der Zusammenschluss hat die Qualität einer Fusion unter Gleichen.
Herbert Müller, Vorsitzender des Vorstands von Ernst & Young, sieht in dem Zusammenschluss bedeutende strategische Vorteile: "Für unsere Strategie, vermehrt Marktanteile bei den großen, weltweit tätigen Konzernen zu gewinnen, stellt der Zusammenschluss einen wichtigen Schritt dar." Die Kunden von Ernst & Young könnten künftig auf ein stärkeres weltweites Netzwerk zugreifen, das sowohl an Größe als auch an Kompetenz deutlich gewonnen habe. "Das Entstehen einer dritten starken Kraft wird den Wettbewerb unter den Wirtschaftsprüfern in Deutschland stärken", so Müller. Große Unternehmen hätten künftig die Auswahl zwischen drei nahezu gleich großen Anbietern.


Christoph Groß, Sprecher der Geschäftsführung von Andersen Deutschland, erklärte: "Die Transaktion hat die Qualität einer Fusion unter Gleichen. Somit können wir auf dem Erreichten aufbauen und es gemeinsam weiter entwickeln. Für Kunden und Mitarbeiter von Andersen in Deutschland schaffen wir damit eine klare Perspektive nach den Unsicherheiten, die im Zusammenhang mit Andersen in den USA entstanden waren."
Wie Groß weiter erläuterte, sei für Andersen "Ernst & Young der ideale Fusionspartner, da sich die Kompetenzen in den Geschäftsbereichen Wirtschaftsprüfung und prüfungsnahe Dienstleistungen, Steuerberatung, Corporate Finance und Real Estate Consulting hervorragend ergänzen. Andersen Luther, die mit Andersen kooperierende Anwaltsfirma, wird Bestandteil des globalen Ernst & Young Law Netzwerkes".
Durch den Zusammenschluss entsteht in Deutschland eine der führenden Prüfungs- und Beratungsgesellschaften mit über 7.000 Mitarbeitern und etwa 900 Millionen Euro Umsatz (Zahlen Geschäftsjahr 2001).
Die Vereinbarung sieht - vorbehaltlich der Zustimmung durch die Wettbewerbsbehörden - vor, das operative Geschäft zum 1. Juli 2002 (Anmerkung von mir: Da die Entscheidung der Kartellbehörden zur Zeit noch aussteht, ist wohl eher mit dem 1.9 oder 1.10 als neuem Termin zu rechnen) zusammenzuführen.
Herbert Müller bleibt Vorsitzender des Vorstands der Ernst & Young AG. Dem Aufsichtsrat wird vorgeschlagen, den bisherigen Sprecher der Geschäftsführung von Andersen Deutschland, Christoph Groß, zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden und COO des neuen Unternehmens zu bestellen.
Der Schritt in Deutschland erfolgt parallel zu zahlreichen Zusammenschlüssen von Ernst & Young mit Andersen in Frankreich, der Schweiz, Osteuropa, Lateinamerika und Asien. Viele Andersen-Gesellschaften in Europa bleiben somit unter einem gemeinsamen Dach. Damit besteht das Andersen-Netzwerk in großen Teilen weiter und wird in den weltweiten Ernst & Young-Verbund integriert. Andersen Business Consulting, die Unternehmensberatung von Andersen, wird wirtschaftlich, rechtlich und finanziell eigenständig weitergeführt.
Ernst & Young Deutschland und Andersen Deutschland hatten am vergangenen Dienstag eine Vereinbarung unterzeichnet, die einen Zusammenschluss in den nächsten Monaten vorsieht. Die Partner von Andersen Deutschland stimmten dem Zusammenschluss am Mittwoch zu, die Partner von Ernst & Young am Samstag vergangener Woche.
"Unseren Kunden und Mitarbeitern danken wir für die Loyalität in der zurückliegenden, nicht einfachen Zeit. Wir freuen uns, mit Ernst & Young eine für sie optimale Lösung gefunden zu haben", erklärte Christoph Groß.

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Für mich als Praktikant war es natürlich sehr interessant in einer großen, sich im Umbruch befindenden, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig sein zu können. Ich musste mir weder Sorgen um meine Anteile (Partner) noch um meinen Job (Manager, Staff) machen und konnte die Geschehnisse in aller Ruhe mit großem Interesse aus nächster Nähe verfolgen. Die Gespräche mit Partnern, Managern und Kollegen sowie die Letters des Country Managing Partners waren immer sehr aufschlussreich und haben mich sehr beeindruckt.

Mehr zu den Erfahrungen im Büro gibt es unter dem Punkt "Der Passt"

Diese Persönlichkeit passt ins Unternehmen

Zu Beginn meines Praktikums im Februar war der Fall Enron zwar Gesprächsthema Nr.1 im Büro, aber dass das ganze eine so rasche Wendung nehmen würde hatte damals wohl (fast) niemand auch nur geahnt. Es wurden viele Späße zum Thema Aktenvernichtung und Datensicherheit gemacht aber ansonsten wurde normal weitergearbeitet (es war ja auch noch "busy season"). Zum Thema "busy season" kann ich an dieser Stelle gleich auch was über Persönlichkeit, Fähigkeiten und Charaktereigenschaften sagen:
Um bei Andersen (bei Ernst & Young ebenfalls) Erfolg zu haben, muss man auf jeden Fall von Anfang an bereit sein, in ständig wechselnden Teams unter Hochdruck qualitativ hochwertige Arbeit und Ergebnisse zu liefern. Teamfähigkeit und Kommunikationsfreudigkeit sind ein Muss. Die fachlichen Qualifikationen sind am Anfang nicht das Wichtigste - es gilt eher die Devise "je mehr desto besser" aber falls weniger kann man das ja immer noch nachholen. Dafür gibt es ein sehr umfangreiches Schulungsangebot (Pflichtprogramm) für alle neuen Mitarbeiter. Arbeitstechniken, Hard- und Software, Fachwissen etc. werden in den ersten Monaten in hoher Dosis vermittelt.
Wichtig am Anfang ist nur, dass man bereit ist viel zu reisen, ständig von den Kollegen zu lernen, die Unternehmenskultur zu verinnerlichen und sich mit den ständig wechselnden Kollegen bekannt zu machen.

Die Stimmung im Büro im Laufe der Geschehnisse (Anklage von Andersen in den USA, Abspaltung der Landesgesllschaften von Andersen Worldwide, Fusionsgespräche mit KPMG, DTT, PWC, etc.) war ständigen Schwankungen unterlegen.
Allen Kollegen gemeinsam war die Trauer über den "Untergang" des Unternehmens und den damit verbundenen Werten. Immer noch unverständlich reagieren alle auf die Tatsache, dass wegen eines Fehlverhaltens in einem Büro in einem Land gleich das ganze Unternehmen weltweit mit 85000 Mitarbeitern angeklagt und schuldig gesprochen wurde.
Der Merger mit E&Y wurde zunächst als notwendiges Übel betrachtet, mit dem Hauptkonkurrenten (Prüfung der großen mittelständischen Unternehmen) in Zukunft zusammenarbeiten zu müssen.
Viele Kollegen konnten sich ein Arbeiten bei E&Y zunächst gar nicht vorstellen (es gab ja auch einige die von E&Y zu Andersen gewechselt hatten) und machten sich Sorgen um ihre Zukunft wohingegen andere die Meinung "abwarten und Tee trinken" vertraten. Eine Kündigungswelle gab es nicht, da die Mitarbeiter bei Andersen sehr stolz darauf sind bei diesem Unternehmen zu arbeiten und das Arbeitsklima sehr schätzen. Interessant wurde es nach Bekanntwerden der Fusionsabsicht von Andersen und E&Y. Die anderen Unternehmen der "Big 5" starteten eine großangelegte Head-Hunting Offensive was dazu führte, dass manche Kollegen innerhalb weniger Wochen bis zu 15 Headhunter am Telefon hatten. Der große Erfolg dieser Aktionen blieb aber aus. Mann konnte kaum Veränderungen in der normalen Fluktuationsrate feststellen auch wenn zugegebenermaßen doch ein paar den verlockenden Angeboten (Beförderung, Geld, Geld, Geld,...) nicht widerstehen konnten oder wollten.
Interessant waren auch die verschiedenen E-Mails des Country Managing Partners und des Office Managing Partners. Die Mitarbeiter von Andersen konnten sich eigentlich nie über mangelnden Informationsfluss beklagen. Beinahe täglich kam ein neues Update zu den Gesprächen und sonstigen Entwicklungen.
Nach und nach gewöhnte man sich an die Vorstellung in einem neuen Unternehmen zukünftig arbeiten zu müssen.
Die positiven Aspekte und Vorteile der Fusion wurden mehr und mehr hervorgehoben und das neue Gefühl - "Wir" statt "die" und "wir" - wurde intensiv durch das Management gefördert. Für die Mitarbeiter in Stuttgart war es natürlich auch sehr interessant, zukünftig in der neuen Firmenzentrale zu arbeiten (E&Y Zentrale in Stuttgart, Andersen Zentrale bisher in Frankfurt). Sehr positiv wurden auch die neuen Möglichkeiten der neuen Nr. 3 auf dem Markt bewertet. Mit der neuen Größe sieht man durchaus Möglichkeiten sich nun auch um Dax Mandate wie z.B. DaimlerChrysler zu bewerben.
Da aufgrund der fehlenden Erlaubnis der EU noch keine konkreten Maßnahmen ergriffen werden durften wurde zunächst einmal alles auf einer rein theoretischen Basis abgewickelt. Natürlich wurden auf höherer Ebene täglich Gespräche geführt und die weitere Vorgehensweise geplant. Für die Mitarbeiter auf beiden Seiten wurden die ersten Informationsveranstaltungen abgehalten (allg. Infos, Arbeitsweise, Strukturen, Karrieremöglichkeiten, Gemeinsamkeiten, Unterschiede, etc.) und u.a. auch ein Fussballturnier organisiert. Für mich als Praktikanten war es sehr interessant, in dieser für Andersen sehr schweren Zeit, einen tiefen Einblick in die ganze Situation zu bekommen. Der Vergleich von internen Informationen durch das Management mit externen Informationen durch die Presse war sehr interessant und lehrreich bezüglich Genauigkeit von Presseberichten etc..
Meine Arbeit als Praktikant bei Andersen Deutschland wurde durch die Geschehnisse wenig bis gar nicht beeinflusst. Es gab zwar verschiedene neue Richtlinien und Anweisungen bezüglich der Behandlung von Daten jeglicher Art und Verhaltensregeln im Kontakt mit den Mandanten aber die Arbeit der Wirtschaftsprüfer an sich ging ganz normal weiter. Natürlich hat Andersen auch in Deutschland Mandate verloren, nicht aber weil die Tochter-Gesellschaften es wollten sondern weil der Mutter-Konzern aus dem Ausland es so vorschrieb.

Abschließend möchte ich auf die Tatsache hinweisen, dass auch im Jahr 2002 wieder ganz normal die Beförderungen ausgesprochen wurden (Ernennung zum Manager, Aufnahme als Partner, etc.).
Diese Vorgehensweise spiegelt eindeutig den optimistischen Blick des Unternehmens in die Zukunft wieder. Mittlerweile sind die Meisten der Mitarbeiter von der Fusion überzeugt und sehen sie als Chance für zukünftiges Wachstum und die entsprechenden Karrieremöglichkeiten.

Branche

Wirtschaftsprüfung

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