USA mischt sich in EU Politik ein
Habe ich da was verpasst? Welches Anrecht hat Powell auch nur einen Kommentar zur Erweiterungspolitik Europas zu geben?
FTD von heute:
Türkei-Beitritt: Massiver Druck der USA auf Bundesregierung
Von Rainer Koch, Kopenhagen
Die USA haben vor dem Erweiterungsgipfel von Kopenhagen in ungewöhnlich undiplomatischer Weise massiven Druck auf die Bundesregierung ausgeübt. Sie wollten die schnelle Aufnahme von Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei durchzusetzen.
So schrieb US-Außenminister Colin Powell an seinen deutschen Kollegen Joschka Fischer: "Ich fürchte, dass ein Rendez-vous-Datum nicht das gewünschte Resultat bringen wird. Nur ein festes Datum für den Beginn von Beitrittsverhandlungen, auch wenn es an einige Kriterien geknüpft wäre, kann den Erfolg bringen, denn wir alle wollen", hießt es in dem Brief, welcher der FTD vorliegt.
Mit "einigen Kriterien" meint der amerikanische Außenminister offenbar die politischen Prinzipien der Europäischen Union, welche den Respekt von Demokratie und Menschenrechte zur Bedingung einer Mitgliedschaft machen.
"Festes Bollwerk"
"Die USA haben die starke Hoffnung, dass die Führer Europas diesen strategischen Augenblick nutzen und mit Mut handeln, um die Zone der Stabilität und Reichtum auch nach Südosteuropa auszudehnen." Mit der Stärkung der Türkei werde auch ein "festes Bollwerk gegen den islamischen Fundamentalismus" zu schaffen, schrieb der Minister weiter.
"Wir stimmen mit Bundeskanzler Schröder überein, dass die Türkei ein positives Signal in Kopenhagen verdiene", erklärt Powell. Der deutsche Standpunkt sei in dieser Frage besonders "wesentlich". Der US-Außenminister forderte mit dem Schreiben die rot-grüne Regierung auf, sich in der EU für die türkische Forderung nach direkten Verhandlungen einzusetzen.
Staats- und Regierungschefs verärgert
"Obwohl die Vereinigten Staaten kein Mitglied der EU sind", so Powell, wolle er auf gemeinsame Ziele hinweisen. Durch ihre Beschlüsse könnte die EU demonstrieren, dass der "Zusammenprall der Kulturen" nicht unvermeidbar sei und dass der Westen den gemäßigten Islam unterstütze.
Auch aus Verärgerung über eine überzogenen türkische und amerikanische Einmischung in die eigene Erweiterungspolitik beschlossen die Staats- und Regierungschefs Donnerstagabend, Ankara keinen konkreten Termin für den Beginn von Aufnahmegesprächen zuzusagen. Vielmehr will die EU Ende 2004 erneut überprüfen, ob die Türkei die politischen Kriterien der Europäischen Union erfüllt.
Schröder hatte sich zuvor mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac immerhin auf einen "Rendez-Vous"-Vorschlag an Ankara verständigt. Danach hätte die EU 2004 prüfen sollen, ob die Türkei ausreichende politische Fortschritte gemacht habe, die Aufnahme von Beitrittsgesprächen zum 1. Juli 2005 erlaubten. Der EU-Gipfel folgte schließlich nicht einmal dem deutsch-französischen Vorschlag.
© 2002 Financial Times Deutschland
... kann es sein, dass die USA und Turkei waehrend des Angriffes auf Afganistan (es wurden weitreichende Ueberflug- und Landerechte ausgehandelt) sich auf eine Unterstuetzung der USA zum Turkei-Beitritts geeinigt haben?
Was meint ihr dazu?
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... kann es sein, dass die USA und Turkei waehrend des Angriffes auf Afganistan (es wurden weitreichende Ueberflug- und Landerechte ausgehandelt) sich auf eine Unterstuetzung der USA zum Turkei-Beitritts geeinigt haben?
JA UND WÄRE ES SCHLIMM?
Es ist berechtigt seine Politik zu vertreten, es kommt auf die anderen dagegen zu halten, wenn man anderer Meinung ist.
Also nicht auf USA schimpfen, sondern eher an die deutsche Regierung.
Grüße,
Jan
P.S. Zeit ist Geld. ;) -
Anonym 14.12.02 09:23
Ich darf nochmal kurz an die langen Gesichter der USA erinnern, als sich die Bundesregierung gegen einen Angriff auf den Irak ausgesprochen hat?
Mist man hier vielleicht mit zweierlei Maß? -
Bei allem Verständins für die problematische Lage der Türkei - wirtschaftlich ist sie noch lange nicht so weit und politisch fehlt einiges für eine Aufnahme in die EU.
Was die politische Seite angeht, ist sie soweit ich weiss, assoziiert und Mitglied der Nato - das sollte reichen, kann aber natürlich noch ausgebaut werden.
Die Eu tendiert zwar zunehmend zu politischer Integration, aber definiret ist sie immer noch weitgehend über die Wirtschaft, daher macht es nach der System-Logik keinen Sinn die Türkei aufzunnehmen. Es würde die EU eher schwächen. Aber viellicht ist genau das der Hintergrund der USA-Forderung? Cui bono eine Aufnahme der Türkei?
Es hätte in der Vergangenheit viel klarer gesagt werden müssen was die Kriterien für eine Aufnahme sind und bis wann man erwartet, dass sie erreicht werden.
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Mir kommt da noch so ein Gedanke: die Formulierung von Powell nimmt ja bezug auf den Clash of Civilization -- eine Analyse, die wohl die US-Aussenpolitik start beeinflusst, obwohl sie nicht unbedingt die Realität richtig wiederspiegelt. Stichworte: innerislamische Konflikte, Ursache weniger kulturell, Wertesystemen-verursacht, sondern Konflikt aufgrund steigender Ungleicheit und Nicht-erfüllung von Erwartungen an die a) eigene regierung und b) mittelbar die westliche welt, die die eigene (schlechte) Regierung (ge)stützt (hat).
MaW: wenn powell selber diese Clash of Cilization-theorie (iSv Kulturen) ablehnt, dann wäre die Aufforderung als ein Hilferuf gegen ein Teil des US-amerikanischen politischen Systems, bzw der polit. Akteure zu verstehen!
Eure Einschätzung? -
In den Medien werden Dinge gerne einseitig berichtet. Das muss nicht unbedingt falsch sein, aber es ist falsch sich davon in Rage bringen zu lassen.
Aus verschiedenen, völlig anderen Gründen unterstütze ich den EU-Antrag der Türkei, so wie- vor allem wann- er gestellt worden ist, nicht. Das vielleicht vorab.
Türkei hat nicht für eine Aufnahme gedrängt, sondern für eine endgültige Entscheidung, ob und wann Aufnahmegespräche stattfinden sollen. Diese Forderung ist berechtigt, bedenkt man, daß europäische Politiker jeglicher Couleur in Ankara ein- und ausgehen, dabei stets Hoffnungen auf "baldige Aufnahme" schüren. Sobald dieselben Politiker sich den eigenen Medien stellen, behaupten sie nicht selten das komplette Gegenteil von dem, was sie vorher geäußert haben. Diese unentschlossene Haltung, teilweise schon an Doppelzüngigkeit grenzend, ist für die Türkei nicht zumutbar. Wir wollen nicht vergessen, daß Solana seinerzeit eingens aus Helsinki (EU-Gipfel) in Ankara eingeflogen ist, um ihr einen Kandidatenstatus zu verleihen. Also darf sie auch Fragen, wann das der Fall sein soll. Es spielen in puncto Türkei-Mitgliedschaft andere, vor allem religiöse, kulturelle, geschichtliche, aber auch energie- und machtpolitische Aspekte mit eine Rolle; hingegen:ganz bestimmt nicht wirtschaftliche (es kann mir keiner erzählen, daß Estland, Litauen, Lettland, Slowenien, Polen, Tschechei und Slowakei aufstrebende Wirtschaften sind, auch nicht mittels Zahlenmalerei) oder menschenrechtliche Gründe. Soviel zu diesem Thema.
Ansonsten finde ich, daß Jan das eigentliche Probleme treffend zur Sprache gebracht hat. Es ist vermessen, von der Außenwelt zu erwarten, jede EU- oder speziell D-Entscheidung mit überschäumender Freude wahrzunehmen. Wenn Deutschland jahrzehntelang den Schutz der Nato in Anspruch genommen hat, muss sie sich den einen oder anderen Vorwurf von den USA gefallen lassen. Aber es ist Sache der Amerikaner, diesbezüglich zu argumentieren. Es darf nur keiner denken, daß die USA mit anderen Partnern, so z.B. die Türkei, anders umspringt.
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