Führung gehört zu den spannendsten aber auch herausfordernsten Themen in Unternehmen. Ein Führungsstil beeinflusst nicht nur das Arbeitsklima, sondern auch Motivation, Kreativität und langfristigen Erfolg. Gerade in der Beratung erlebst du täglich, wie entscheidend Führung ist: Projektleiter:innen koordinieren Teams, Partner:innen steuern die strategische Richtung, und auch Kund:innen bringen ihre eigene Führungskultur mit ins Projekt.
Die Consulting Excellence Studie 2025 von SQUEAKER bestätigt die Relevanz: 89 % der Befragten sehen die Unternehmenskultur – und damit auch den Führungsstil – als eines der fünf wichtigsten Kriterien bei der Arbeitgeberwahl. Damit liegt Führung vor Punkten wie internationaler Standort oder Reisetätigkeit.
Dieser Artikel zeigt dir die wichtigsten Führungsstile – von den Klassikern nach Kurt Lewin und Max Weber bis hin zu modernen Ansätzen wie dem transformationalen Stil oder dem Managerial Grid. Gleichzeitig erfährst du aus Insider-Perspektiven führender Beratungen, wie Führung dort gelebt wird und was das für dich als Berufseinsteiger:in bedeutet.
Was ist unter dem Begriff "Führungsstil" zu verstehen?
Ein Führungsstil beschreibt das wiederkehrende Verhalten einer Führungskraft im Umgang mit Mitarbeiter:innen und Teams. Es geht darum, wie Entscheidungen getroffen, kommuniziert und durchgesetzt werden – ob autoritär von oben oder kooperativ im Dialog.
Führungsstile sind in der Regel zeitlich stabil und konsistent, aber sie variieren je nach Kontext. In der Beratung ist genau diese Anpassungsfähigkeit entscheidend: Projektleiter:innen müssen je nach Kundensituation, Seniorität im Team oder Komplexität der Aufgabe unterschiedliche Führungsstile anwenden. Und du wirst als Berater:in erleben, wie sich der jeweilige Führungsstil auf den Erfolg eines Projekts auswirkt.
Wie lauten die Führungsstile nach Kurt Lewin?
Der Psychologe Kurt Lewin entwickelte drei grundlegende Führungsstile. Sie gelten bis heute als Klassiker – und sind in Beratungsprojekten oft direkt erlebbar. Wir stellen dir die drei Führungsstile mit Vor- und Nachteilen im Überblick vor:
Autoritärer Führungsstil
Beim autoritären Führungsstil liegt die Entscheidungskompetenz klar bei der Führungskraft. Kommunikation erfolgt von oben nach unten, es gibt enge Kontrolle und wenig Raum für Rückfragen. Mitarbeitende haben in diesem Setting kaum Mitspracherecht, sie setzen Vorgaben um, die sie von der Führungskraft erhalten.
Vorteile: Besonders in Krisensituationen oder bei Projekten mit extremem Zeitdruck kann dieser Stil punkten. Denn hier werden Entscheidungen schnell getroffen, Strukturen sind eindeutig und Verantwortlichkeiten klar. Das lässt keinen Spielraum für Missverständnisse, die Zeit kosten können.
Nachteile: Die Kehrseite ist jedoch groß: Mitarbeitende verlieren leicht ihre Motivation, sie zeigen keine Eigeninitiative und kreative Impulse, die in einem offeneren Umfeld erfolgen könnten, bleiben in diesem Setting ungenutzt. Auf Dauer sinkt die Innovationskraft des Teams.
Insider-Perspektive:
In Consulting-Projekten kann ein autoritärer Stil kurzfristig sinnvoll sein – etwa, wenn eine Restrukturierung umgesetzt werden muss und schnelles Handeln gefragt ist. Nachhaltige Lösungen entstehen jedoch meist in offeneren Settings.
Kooperativer Führungsstil
Der kooperative – oft auch demokratische – Führungsstil ist das Gegenmodell. Mitarbeitende werden in Entscheidungen einbezogen, Verantwortung wird geteilt, und Diskussionen sind ausdrücklich erwünscht. Die Führungskraft versteht sich hier eher als Moderator:in oder Coach statt als alleinige:r Entscheider:in.
Vorteile: Dieser Stil motiviert, schafft Eigenverantwortung und stärkt die Bindung der Mitarbeitenden ans Unternehmen. Kreativität und Innovation entstehen, weil Ideen aus dem Team aufgenommen und umgesetzt werden können. Hier kommen vielfältige Impulse zusammen und es herrscht ein Klima, in dem neue Ideen wachsen können.
Nachteile: Kooperative Führung benötigt deutlich mehr Zeit. Entscheidungsprozesse können länger dauern als beim autoritären Stil, und nicht jede Führungskraft findet die richtige Balance zwischen Mitsprache und klarer Richtung. Hier ist es wichtig, dass die Führungskraft lernt, was es heißt, wirklich gut und kooperativ zu führen.
Insider-Perspektive: Franziska Diekmann (BCG Platinion) betont:
„Jede Stimme zählt, vom Associate bis Managing Director. Das gemeinsame Ringen um die beste Lösung landet am Ende nun mal auf einer PowerPoint-Folie – aber die Folie ist nur das sichtbare Ergebnis eines intensiven Denkprozesses.“
Damit beschreibt sie, wie stark der kooperative Stil im Consulting-Alltag verankert ist.
Laissez-Faire Führungsstil
Beim Laissez-Faire-Stil liegt die Verantwortung weitgehend bei den Mitarbeitenden. Die Führungskraft gibt Ziele vor, überlässt aber Umsetzung und Entscheidungen dem Team.
Vorteile: Hier herrscht sehr hohe Eigenverantwortung, die oft zu hoher Motivation führt. Außerdem fördert der eigene Entscheidungsspielraum, Innovationskraft und individueller Entfaltung. Mitarbeitende können ihre Stärken voll ausspielen.
Nachteile: Ohne eine klare Struktur drohen Konflikte, Orientierungslosigkeit oder ineffiziente Abläufe. Nicht jedes Team ist reif genug für diesen Freiheitsgrad. Wichtig ist es, dass Projekte nicht ins Chaos abgleiten.
In Beratungen findet sich dieser Stil selten in Reinform. Dennoch erleben Einsteiger:innen viel Autonomie: Eigene Module, direkter Kund:innenkontakt und frühzeitige Verantwortung sind Standard.
Welche Führungsstile gibt es laut Max Weber?
Der Soziologe Max Weber beschrieb weitere klassische Führungsstile, die vor allem Macht- und Autoritätsfragen beleuchten. Auch diese schauen wir uns kurz im Überblick an:
Patriarchalischer Führungsstil
Die Führungskraft agiert als „Vater- oder Mutterfigur“. Entscheidungen beruhen weniger auf Regeln, sondern auf Autorität und Erfahrung.
Vorteile: Die Führungskraft trifft alleine schnelle Entscheidungen, es gibt klare Strukturen, die allen bekannt sind.
Nachteile: Eigeninitiative der Mitarbeitenden wird gehemmt, dadurch bleibt Innovation auf der Strecke.
Autokratischer Führungsstil
Dieser Stil ist sehr ähnlich zum autoritären Stil, ist aber noch stärker auf Hierarchie und strikte Weisungsbefugnis fokussiert.
Vorteile: Der autokratische Führungsstil ist besonders effizient in Krisen, weil es klare Zuständigkeiten gibt und keine Zeit durch Abstimmungen verloren geht.
Nachteile: Autokratische Führung führt schnell zu Demotivation, zu einer Angstkultur und zu geringer Bindung ans Unternehmen.
Bürokratischer Führungsstil
Hier liegt der Fokus nicht auf Personen, sondern auf Regeln und Prozessen. Entscheidungen sind objektiv und unabhängig von Sympathien.
Vorteile: Auch hier gibt es klare Abläufe, das führt zu einer Fehlervermeidung und zu Objektivität.
Nachteile: Oft werden Entscheidungen nur langsam getroffen, es mangelt an Flexibilität und es besteht geringe Innovationsfähigkeit.
Charismatischer Führungsstil
Im Mittelpunkt steht hierbei die Persönlichkeit der Führungskraft. Sie inspiriert durch Ausstrahlung und Vision ihre Mitarbeitenden.
Vorteile: Eine charismatische Führungskraft sorgt für hohe Motivation und starke Bindung.
Nachteile: In diesem Konzept besteht eine starke Abhängigkeit von einer Einzelperson, die Nachhaltigkeit ist fraglich.
Insider-Perspektive:
Gerade im Consulting zeigt sich, dass charismatische Persönlichkeiten zwar beeindrucken, echter und nachhaltiger Erfolg aber nicht allein auf Einzelne zurückzuführen ist. Entscheidend ist Diversity in Teams: Unterschiedliche Perspektiven und Hintergründe fördern Kreativität, flexibles Denken und effektives Problem-Solving.
Führungsstile des Full-Range-of-Leadership-Modells
Dieses Modell ergänzt die klassischen Ansätze. An dieser Stelle erklären wir die zwei bekanntesten Stile des Modells. Beides sind moderne Führungsstile.
Transformationaler Führungsstil
Transformational führende Personen motivieren durch Vision, Werte und Inspiration.
Vorteile: Es gibt eine starke Identifikation im Team, außerdem hohe Motivation und Innovationskraft.
Nachteile: Der transformationale Führungsstil ist abhängig von der Persönlichkeit. Es besteht außerdem die Gefahr unrealistischer Ziele.
Insider-Perspektive: Melena Weise (Deloitte) betont:
„Wir legen großen Wert darauf, messbaren Impact zu schaffen, der sich nicht nur auf das Unternehmen, sondern auch auf die Gesellschaft positiv auswirkt.“
Genau das beschreibt die Stärke transformationaler Führung.
Transaktionaler Führungsstil
Hier gilt das Prinzip „Leistung gegen Gegenleistung“: Ziele gegen Belohnung, Nichterfüllung gegen Sanktion.
Vorteile: Es gibt klare Regeln, das sorgt für Planbarkeit und Effizienz.
Nachteile: Oft herrscht geringe Motivation, die nicht über das Minimum hinausgeht, und wenig Kreativität.
Was besagt das Managerial Grid?
Ein weiterer Begriff, der beim Thema Führung wichtig ist, ist das Managerial Grid. Dieses Konzept von Blake und Mouton kombiniert Sachorientierung und Menschorientierung und es macht deutlich, wie Führung zwischen diesen Polen balanciert.
- 1,1 Impoverished Management: kaum Sach- und Menschenorientierung → schwache Führung.
- 9,1 Authority Compliance: Fokus auf Leistung, Vernachlässigung von Menschen.
- 1,9 Country Club Management: Fokus auf Zufriedenheit, Arbeitsleistung zweitrangig.
- 5,5 Middle of the Road: Balance, aber Gefahr der Mittelmäßigkeit.
- 9,9 Team Management: hohe Orientierung in beiden Dimensionen – gilt als ideal.
Welche Trends zeichnen sich im Verhalten von Führungskräften ab?
Führung verändert sich, genau wie die Arbeitswelt selbst. Welche Entwicklungen sind aktuell zu beobachten und welche Folgen kann das für Unternehmen und fürs Consulting haben? Das beleuchten wir nun:
Merkmale moderner Führung
In der modernen Arbeitswelt geht es bei Führung meist weniger um Kontrolle, sondern um Vorbildfunktion. Führungskräfte hören zu, teilen Verantwortung und schaffen Raum für Eigeninitiative. Modern Leadership besteht zu einem großen Teil darin, die persönliche Weiterentwicklung der Mitarbeitenden zu fördern – umso Bestleistungen in Projekten zu erreichen.
Strukturelle Entwicklungen
Insgesamt werden Hierarchien flacher, agile Teams gewinnen an Bedeutung. In Beratungen zeigt sich das besonders: Ein Visiting Associate bei BCG Platinion sitzt ab Tag 1 mit beim Kunden – Verantwortung von Anfang an. Das verändert das Erlebnis von Einsteiger:innen, genau wie die Idee von Führung.
Frauen in Führungspositionen
Noch immer sind weniger als ein Drittel der Führungsrollen in Deutschland weiblich besetzt. Ihre Perspektiven sind jedoch wertvoll, weil sie neue Blickwinkel eröffnen – Führung, die nur in männlicher Hand liegt, sorgt für wenig Vielfalt in Unternehmen. Hier besteht noch Entwicklungspotenzial – das haben auch Beratungen längst erkannt.
Insider-Perspektive: Laura (BCG) sagt:
„Wir arbeiten intensiv daran, mehr Frauen in
Führungspositionen zu bringen und die Anzahl der weiblichen Promotionen zu erhöhen.“
Welche Besonderheiten gibt es bei Führungsstilen im Consulting?
In der Beratung gibt es ganz unterschiedliche Bezeichnungen, die hierarchische Positionen beschreiben – und davon hängt auch die Art der Führung ab. In der Regel gibt es diese drei Positionen:
- Partner:in – Unternehmerische Verantwortung
Der:die Partner:in ist gemeinsam mit den Partnerkolleg:innen Eigentümer:in und Führungskraft der Beratung – und entsprechend unternehmerisch orientiert. Er:sie ist für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, die Zufriedenheit der Klient:innen und die Entwicklung der Mitarbeiter:innen verantwortlich.Der:die Partner:in pflegt Kundenbeziehungen auf Vorstandsebene und ist in letzter Instanz kaufmännisch und inhaltlich für die Projekte der Teams verantwortlich. Solange er:sie wirtschaftlich erfolgreich ist und keine Fahrlässigkeiten begeht, genießt er:sie große berufliche Unabhängigkeit.
Mit Blick auf Führung gilt: Auf einzelnen Projekten gibt der:die Partner:in häufig zu Beginn Umfang und Vorgehen vor und kommt dann nur zu wichtigen Lenkungskreisterminen wieder dazu. Insbesondere jüngere Partner:innen geben auch während des Projekts immer wieder fachlichen Input.
- Projektleiter:in – Herz des Projekts
Der:die Projektleiter:in ist der verlängerte Arm des:der Partner:in vor Ort. Er:sie trifft die konkreten Entscheidungen im Projektverlauf, agiert als Hauptansprechpartner:in für den Kunden, hält die inhaltlichen Fäden in der Hand und kontrolliert meist auch das kaufmännische Budget.Zusätzlich schreibt der:die Projektleiter:in die Bewertungen für die Consultants und sucht zusammen mit dem:der Partner:in die richtigen Consultants für die Projekte aus (Staffing).
Für das Consultant-Team und mögliche Neueinsteiger:innen ist er:sie die wichtigste Bezugsperson – und damit eine zentrale Führungsperson. Auf manchen Projekten übernehmen auch Senior-Consultants die Betreuung von Newies und damit teilweise die Rolle des:der Projektleiter:in.
- Consultant – Inhalte & Vorbereitung auf Führung
Der:die (Senior-)Consultant arbeitet sich in die Inhalte ein und generiert dann Output in Form von Excel-Modellen, Decks oder Flows (Berater:innensprech für Präsentationen). Dabei wird er:sie vom:von der Projektleiter:in inhaltlich und prozessual begleitet.Meist prüfen Projektleiter:innen anfangs, wie gut sich ein:e Consultant in einem Themengebiet auskennt und wie hochwertig die Ergebnisse sind – und passen daran ihre Betreuungsintensität an.
Ein:e Senior-Consultant, Consultant oder Praktikant:in bereitet Meetings mit Kunden vor und führt sie – je nach Seniorität und der des Kunden – auch selbst durch. Hier besteht meist noch keine oder nur wenig Führungsverantwortung. Doch sie wird bereits vorbereitet.
Du siehst: Führung ist im Consulting auf verschiedene Ebenen verteilt – und je nach Beratungshaus und Person ist der jeweilige Führungsstil unterschiedlich. Wichtig ist es zu verstehen, dass Führungskräfte je nach Position verschiedene Ziele verfolgen und unterschiedliche Vorgaben zu erreichen haben – das wirkt sich entscheidend auf ihren eigenen Führungsstil aus.
Insider-Einblick von SQUEAKER:
„Generell hängt die Art der Betreuung, die dich erwartet, sehr von dem Fallkontext und vom individuellen Führungsstil des Projektleiters ab. Ein erfahrener Senior-Projektleiter kurz vor der Partner-Beförderung wird dir weitgehend freie Hand lassen, wenn du ihm am Anfang deiner Zeit auf dem Projekt gezeigt hast, dass du deiner Aufgabe gewachsen bist. Dagegen neigen Senior-Berater, die als Projektleiter eingesetzt werden, oder junge Projektleiter eher dazu, das Team sehr eng zu managen und viel Input zu geben, da sie es gewöhnt sind, nah an den Aufgaben zu sein und z.B. auch noch mal selbst in ein Excel zu schauen.“
Fazit: Der richtige Führungsstil ist situationsabhängig
Es gibt viele Konzepte, die Führung beleuchten und dabei ist klar: Kein Führungsstil ist universell. Erfolgreiche Führung lebt von Anpassungsfähigkeit, Empathie und Klarheit. Ob Entscheidungen klar von oben getroffen oder im Team abgestimmt werden, hängt oft auch vom Projekt, von der Situation und vom Zeitdruck ab. Und sicher auch von der Person, die gerade über die größte Entscheidungsmacht und die höchste Führungsverantwortung verfügt. In der Beratung lernst du diese Vielfalt hautnah kennen – und entwickelst deinen eigenen Stil, wenn auch du zur Führungskraft werden willst.
Insider-Perspektive: Melena Weise (Deloitte) bringt es auf den Punkt:
„Die Lerndichte in den
ersten Jahren ist unglaublich hoch. Du arbeitest mit dem Top-Management verschiedener Branchen und baust ein starkes Netzwerk auf.“
Führung ist damit kein theoretisches Konzept, sondern ein entscheidender Karrierefaktor – im Consulting und weit darüber hinaus.