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Bestandsaufnahme im People Business Consulting: Unternehmensberater jonglieren im Wochentakt mit Akronymen wie FRA, LHR und JFK, kennen die Umsatzstatistik ihrer Kunden besser als die Schulnoten der Kinder und checken häufiger im Sheraton ein als zuhause den Briefkasten. Und dann kommt Covid-19 und macht das Home-Office über Nacht zur Notwendigkeit.

Was macht das Home-Office mit einem Consultant? Und hat Remote-Work das Zeug zum Bleiben? Wir haben bei Stephanie Wegener, Co-Autorin des Consulting Survival Guides, von 2011 bis 2021 in einer globalen Strategieberatung tätig und seit Februar 2021 VP Strategie in einem britischen Telco Unternehmen, nachgefragt, wie Teambuilding mit Slack-Thumbnails, Kundensupport über Zoom und effektive Beratung zwischen Bett und Kühlschrank statt Frankfurt und Heathrow funktioniert.

Die Kunden

Auch wenn sich der Workload bei vielen Consultants dank forcierter Umstrukturierungsmaßnahmen und Transformationsprojekte kaum verringert, hat sich der Arbeitsalltag im Consulting durch #stayathome völlig geändert und zugegeben, auch an seinem Glamourfaktor à la „Up in the air“ eingebüßt. Wie soll das auch gehen, wenn das Starbucks am Time Square zum Kühlschrank in der 2-Zimmerwohnung wird? Viel wichtiger aber als der Lufthansa-Meilenstand oder das „per Du“ mit dem Chefportier, ist der Grund für diesen Lebensstil: Die Kunden, deren Erwartungshaltung sich durch Corona nicht geändert hat, ganz im Gegenteil. Sie erwarten für ihr Geld einen „Trusted Advisor“, der sie – besonders in Krisenzeiten– in einer Leuchtturmfunktion durch die wilden Fahrwasser von Umstrukturierung, Digitalisierung und Transformation leitet. Kurzum: Das Beraterbusiness Slack, Zoom & Co. nur schwer zu vermitteln sind. Wer gibt sein Geschäft schon gerne in fremde Hände bzw. Stimme, die man nur über das Telefon kennt? Selbst ein Videocall ersetzt keinen Präsenztermin. Ein Berater vor Ort, der sich aufrichtig mit dem Markt und dem Geschäft auseinandersetzt vermittelt einen ganz anderen Status. Umgekehrt stellt es für den Consultant eine enorme Herausforderung dar die richtigen Entscheidungen zu fällen, ohne den Gegenüber, seinen Markt, die vorhandene Infrastruktur und die Atmosphäre und vor Ort wirklich zu kennen. Ganz zu schweigen von den wichtigen informellen gemeinsamen Essen und den kleinen Gesprächen am Rand bei denen die tatsächlich wichtigen Informationen ausgetauscht werden und die das Schmiermittel für jedes Projekt darstellen.

Stephanie Wegener, Co-Autorin des Consulting Survival Guides hat da so ihre eigene Erfahrung: „Auf meinem letzten Fall bin ich tatsächlich während Corona gekommen. Heißt, ohne den Kunden oder das Team jemals persönlich getroffen zu haben, musste ich mich nun auf einen Fall, der seit ein paar Monaten lief remote on-boarden. Das hatte natürlich seine ganz besondere Herausforderung – vor allem, wenn Du das erste Mal eine Präsentation für einen Chairman hältst, diesen niemals gesehen hast und er sich auch weigert mit Kamera einzuwählen. Was mir geholfen hat sind die folgenden Dinge. Erstens, gutes Briefing von den Partnern abholen: Wer sind unsere Kunden, wie ticken diese, was ist ihnen wichtig? Zweitens, informelle Coffee Chats mit den Kunden, um sich vor der ersten inhaltlichen Diskussion persönlich kennenzulernen. Drittens, Zeit investieren, um das Team persönlich kennenzulernen. Explizite Diskussionen über den eigenen Arbeitsstil und persönliche Präferenzen inklusive.

Die Effizienz

Von 10 Minuten vom Bett an den Schreibtisch. Gut, die Jogginghose außerhalb Kamerareichweite und die Brötchenkrümmel am Arbeitsplatz mal ausgeklammert – das schafft man nur im Homeoffice. Du hast mit Sicherheit schon von der Stanford-Studie gehört, die der Arbeit im Homeoffice einen satten Produktivitätsboost von 13% bescheinigt? Und da ist wirklich was dran. Unter Hinzunahme einer gewissen Routine, einer ruhigen Arbeitsatmosphäre, dem Setzen von Zielen und der Unterstützung durch alle notwendigen Büroressourcen kann es gelingen, im Homeoffice ganz neue Benchmarks in puncto Konzentration und Effizienz zu erreichen.

Stephanie Wegener: Am Anfang war es wirklich spannend zu beobachten, wie viel Arbeit man geschafft bekommt. Teilweise mussten wir hierbei auch navigieren, um den Kunden mit zu viel Output nicht zu überfordern, und ihn oder sie weiterhin mitzunehmen. 

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Und natürlich muss man auch darauf achten, dass manche Themen wie zum Beispiel Reorganisationen oder strategische Neuausrichtungen auch einfach Zeit brauchen, verdaut zu werden – Effizienz hin oder her. Die persönlichen Aspekte, verschiedene Ausgangspunkte und Überzeugungen sowie organisatorische Dynamiken darf man dabei nie aus dem Auge verlieren. Luft nach oben gibt es hier aber nur für tatsächliche „got it alone“ Phasen. Projekte, die enge Teamarbeit und Kundenkontakt voraussetzen – sprich der Löwenanteil im Consulting – stoßen hier schnell an ihre Grenzen. Denn der Grad an Effizienz, den man in einem persönlichen Gespräch mit Kunden oder Kollegen erreicht, ist mit dem eines Videocalls nicht mal ansatzweise zu vergleichen.

Das Team

Erfolgreiches Consulting ist, entgegen dem allgemeinen Bild des Unternehmensberaters als ehrgeiziger Alleskönner einer „up-or-ut“-Welt das Werk echten Teamworks. Gut, in Zoom-Meetings und Slack-Chats kannst du die Insights deiner Kollegen abfragen oder auch mal einen Business Case remote besprechen. Zoom, Trello, Microsoft Team & Co. leisten einen enormen Beitrag, damit Teamwork überhaupt ansatzweise funktioniert. Die Tools fordern von den Beratern aber auch eine Menge Eigeninitiative und Disziplin, damit alle Teammitglieder immer auf dem Laufenden sind, was den Flur hinunter geschieht. Aber reicht das?

Stephanie Wegener: Wichtig ist es, dass auch teils beiläufige Gespräche, die z.B. sonst nebenbei an der Kaffeemaschine stattgefunden haben, nicht verloren gehen. Hierfür haben wir drei verschiedene Arten von Touchpoints in meinem Team eingeführt – immer per Videocall, versteht sich. Für Prozessabstimmungen: Tägliche 15 minütige Check-In und Check-Out Calls, in denen der Plan für den Tag abgestimmt wird. Für inhaltliche Abstimmungen: Diese Calls müssen nicht immer eine halbe oder volle Stunde sein. Oft reichen 20 Minuten. Und am Rande: Zoom hat auch eine Whiteboard Funktion, für gemeinsames Sketchen von Slides. Für persönlichen Austausch: Natürlich frage ich immer zu Beginn, wie es dem Team geht – aber zusätzliche dezidierte virtuelle Touchpoints (z.B. 1:1 Coffee Chats, wöchentliche Team Happy Hour oder Team Dinner), bei denen streng nicht über das Projekt gesprochen werden, sind super wichtig zum Connecten. Wir hatten sogar eine virtuellen Kochkurs und eine Yoga Stunde mit dem Team.

Über kurz oder lang geht mit der Nutzung digitaler Kommunikationsmittel ein echter Kreativitätsverlust einher. Der kreative Funkenflug, der während gemeinsamen Teammeetings – oder noch viel wichtiger – bei ungezwungenen Flurchats entsteht, hat bei Slack & Co. kaum eine Chance. Denn alles, was sich nicht nach Büroarbeit anfüllt war schon immer der Nährboden für produktive Arbeit und Kreativität. Neben dem Verlust von Kreativität kommt die Gefahr hinzu, dass die sozialen Bindungen zu den Kollegen, die für erfolgreiche Teamarbeit so wichtig sind, zerbrechen könnten. Allein Slack wird schnell zum echten Minenfeld für Teams. Wie schnell kommt ein hier geschriebener Satz anders rüber als das gesprochene Wort? Was bei Slack vielleicht zweideutig oder sarkastisch interpretiert werden könnte, hätte im gemeinsamen Flurchat oder beim After Work Bier für einen Lacher und wichtigen sozialen Kitt gesorgt.

Die Work-Life-Balance

Ein Beraterleben „on-the-go” zwischen Fluggates, Hotelzimmer, Kundenmeetings und kurzen Stippvisiten daheim ist ohne Zweifel aufregend, zerrt aber auf Dauer an den eigenen Ressourcen. Work-Life-Balance, was war das nochmal? Für alle Senator-Status-Inhaber & Co. ist die Zwangsversetzung ins Homeoffice zunächst ein persönlicher Gewinn für die eigene Regeneration. Klare Vorteile: der Wegfall von Reisezeit, steuerbare Arbeitsruhe, keine Ablenkung durch Kollegen, mehr Flexibilität bei Familie und Freizeit. Allerdings hat die Erfahrung gezeigt – und hier stellt die high-paced Consultingbranche keine Ausnahme dar – werden im Homeoffice weniger Pausen genommen und die Arbeitszeiten extrem ausgedehnt. Mehrarbeit von 2 Stunden täglich oder das Beantworten von Mails vor dem Einschlafen sind Standard und keine Ausnahme. Es braucht schon eine Menge Disziplin, damit das Homeoffice wirklich zur Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit und nicht zu deren Vermischung beiträgt und das Zuhause nicht seine Funktion als Rückzugsort verliert.

Stephanie Wegener: Die Produktivität steigt rasant – aber genauso wichtig, ist es sich Freiräume zu schaffen. Statt von Bett zum Arbeitstisch sollte man sich am Morgen erst einmal bewusst Zeit für sich selbst nehmen – ich empfehle eine Art „Morgen-Routine“ zu entwickeln: Kurze Sporteinheit, Meditation und Frühstück mit Zeitunglesen statt Beantworten der ersten Emails verbringen. Während in der Vor-Homeoffice Zeit Pausen wie Wege im Taxi, gehen zum Meetingraum etc. natürlicher Teil des Tages waren, fehlen solche kurzen Auszeiten über Tage. Deshalb sollte man sich diese bewusst nehmen. Wir haben bei uns 2 offline Stunden eingeführt – 30 min um die Mittagszeit rum und 90 min am Abend. In diesen Zeiten gibt es keine Calls, werden keine Slack, Mails, What’s App geschickt und jeder kann abschalten, ohne Sorge zu haben, einen Anruf zu verpassen.

Viele Unternehmensberatungen, die sich bereits auf dem Weg zu New Work befinden, zeigen mit unterschiedlichen attraktiven Arbeitsmodellen, wie Work-Life-Blending auch ohne 100% Homeoffice funktionieren kann. Mit einem Maximum an Flexibilität, Me-Time und einer gelebten Unternehmenskultur, die das Privat- und Berufsleben smart miteinander verbindet.

Hat Remote Work Zukunft im Consulting?

Covid-19 hat einen Testlauf für Fernarbeit im ganz großen Stil ausgelöst. Dass nicht von der Stunde 0 an alles perfekt funktioniert, Zoom-Calls wackelig sind oder der Sprössling das Prinzip Home-Office noch nicht versteht, ist nicht schlimm. Schließlich verbringen wir auch schon mehr als ein Jahrhundert damit zu lernen, wie Menschen im Büro am produktivsten und glücklichsten arbeiten. So what, gut Ding will eben Weil haben. Und ganz klar, es kann definitiv ein Gewinn für die Work-Life-Balance und sowieso sein Glück für die Biosphäre sein, wenn Menschen näher an Ihrem Zuhause arbeiten können. Aber: Consulting ist ein People Business und genau hier stößt das Home-Office durch seine Haustür direkt an seine Grenzen. 

Stephanie Wegener: Nach ein paar holprigen Wochen, waren nicht nur wir Berater erstaunt, wie gut es funktioniert, sondern auch unsere Kunden. Ich hoffe wirklich und glaube, dass – nicht zuletzt für das Klima – das ständige Reisen nicht wieder zur Normalität wird. Die Kunden haben gesehen, dass wir auch arbeiten, wenn wir nicht vor Ort sind – so dass zumindest das „beim Kunden vorm Ort sitzen, um Präsenz zu zeigen“ aus meiner Sicht ausgedient hat. Dagegen wird sich hoffentlich durchsetzen, dass man gezielt selektiv für wichtige Meetings wie Vorstandssitzungen oder größere Workshops zum Kunden reist. Mehr Nachhaltigkeit im Job und die Natur – was will man/Frau mehr?

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Maria Kersting, Senior Consultant bei BearingPoint, arbeitet im Bereich Government & Public Sector in Berlin. Sie ist seit Anfang letzten Jahres Mitglied des Kernteams des BearingPoint-internen Netzwerks Proud@BearingPoint in Deutschland.

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Fr., 15.03.2024
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